Die Zukunft der Live-Kommunikation aus Sicht der Kunden

Die LiveCom-Branche ist auf dem Weg zur strategischen Neupositionierung. Orientierung können die Unternehmen im Messe- und Eventbereich dabei vor allem von ihren Kunden, den auftraggebenden Unternehmen, erhalten. Deshalb untersucht die aktuelle Studie des Branchenforschungsinstituts R.I.F.E.L. e. V. (Research Institute for Exhibition and Live-Communication) die „Zukunft der Live-Kommunikation“ aus der Sicht der Kunden.

Faktisch der gesamte Wertschöpfungsprozess in der LiveCom-Branche muss infolge der digitalen Transformation und deren Beschleunigung durch die COVID-19-Pandemie neu aufgesetzt werden. Veranstaltungsformate verändern sich, neue Akteure mit digitaler Kompetenz gewinnen an Bedeutung, bewährte Strategiepfade müssen verlassen werden und eine stra­tegische Neupositionierung erfolgt. Wie sehen die Kunden der LiveCom-Branche diese Entwicklung? Das ist die Frage, der die R.I.F.E.L.-Studie „Zukunft der Live-Kommunikation“ nachgeht.

Nach einer Vorbefragung wurden in einer qualitativen Studie Führungskräfte aus den Bereichen Marketing/Kommunikation von zehn international tätigen deutschen Konzernen aus den Bereichen Automotive, Chemie, Transport, Technologie, Banken, Telekommunikation, Elektro, Reinigungssysteme, Pharma und Medizintechnik befragt. Angesichts der seit nunmehr zwei Jahren andauernden COVID-19-Pandemie zeigen sich alle Akteure in der Live-Kommunikation extrem verunsichert, das heißt nicht nur die Agenturen, sondern auch die Marketing- und Kommunikationsverantwortlichen der Unternehmen. COVID-19 hat der begonnenen Digitalisierung einen kräftigen Schub gegeben und eine Akzeptanz für digitale und hybride Formen geschaffen. „Künftig wird weniger nur live oder nur digital, sondern ganz viel hybrid sein“, sagt Klaus Gödert, Messe- und Ver­anstaltungschef der BASF SE.

„Die Live-Kommunikation lebt von langjährigen Partnerschaften, von Vertrauen, sonst funktioniert nichts.“

Steffen Straub, Head of Event- und Live-Communication-Management der Deutschen Bahn AG

Allerdings sind sich die Kunden mit den Agenturen einig, dass die Emotionalisierung der Teilnehmer, das „Gänsehautgefühl“ bei immersiver Live-Kommunikation unverzichtbar für die Vermittlung von einzigartigen Markenerlebnissen ist. „Echte Fahrerlebnisse und haptische Produkt­eindrücke kann man digital nicht erleben“, betont Alexandra Landers, Global Head of BMW Group Press & PR Events.

Aber auch für das persönliche (vertrauliche) Gespräch, das Kennenlernen neuer Partner und das gerade in einer stark digitalisierten Welt notwendige Networking sind reale Live-Veranstaltungen auch in Zukunft relevant.

„Reduce to the Max“ ist das Ziel der ­stra­tegischen Neupositionierung der ­Un­ternehmenskommunikation. Deshalb ­werden Veranstaltungsportfolios und ­insbesondere auch Messeportfolios neu definiert. Ziele müssen präziser bestimmt werden und den wirtschaftlichen Erfolg der Messe oder des Events in den Blickpunkt rücken. Die Anzahl der Veran­staltungen wird reduziert. Es werden ­fo­kussierte (Fach-)Veranstaltungen und Messen ­favorisiert, vor breiten Massenveranstaltungen. Die Veranstaltungsgrößen werden optimiert, indem Zielgruppen ­genauer bestimmt, „spitzer“ definiert und eingeladen werden. Die Veranstaltungsorte werden reduziert, da durch die hybride Verlängerung von Veranstaltungen Zielgruppenmitglieder auch auf ­digitalem Weg erreicht werden können. 

Insbesondere im Messebereich soll eine Konzentration auf wichtige Märkte erfolgen. Auch regionale Messen, Hausmessen und Roadshows werden in den Blick genommen. Die Messestände werden eher kleiner. Kosten für Messebau, Reisen, Übernachtungen, Logistik usw. werden eingespart. Aber: Die Kommunikationsbudgets werden tendenziell der Höhe nach beibehalten, nur innerhalb der Budgets wird von live zu digital und hybrid umstrukturiert. Wichtig ist die Erkenntnis, die Alexandra Landers von der BMW Group so formuliert: „Virtuell bedeutet nicht unbedingt kostengünstiger. Neue Technologien eröffnen tolle und innovative Möglichkeiten der Inszenierung, sind cool und fancy, aber einfach auch sehr kostspielig.“

Die Wertschöpfungsketten in der Veranstaltungswirtschaft verändern sich einerseits, indem neue Akteure mit vielfältigem digitalen Know-how in Technik, Technologie, Content und Inszenierung integriert werden. Andererseits wird auf bewährte Partner sowohl im Agenturen- als auch im Dienstleistungsbereich zurückgegriffen, in deren Expertise, Leistungsfähigkeit und Flexibilität bereits hohes Vertrauen besteht. Erfolgreiche Agenturen und Dienstleister aus der LiveCom-Branche haben deshalb sehr schnell auf die neuen Kundenanforderungen von digitalen und hybriden Veranstaltungen reagiert und entweder eigene digitale Kompetenzen aufgebaut oder Technikpartner in die Wertschöpfungskette aufgenommen. 

„Ein Teil der alten Partner vor Corona hat sich schnell weiterentwickelt, z. B. hat ein Messebauunternehmen die neue Untereinheit ,Digital Brand Spaces‘ geschaffen und digitale Kompetenzen neu aufgebaut.“

Klaus Gödert, Messe- und Veranstaltungschef der BASF SE

Bei der Suche nach neuen Wertschöpfungspartnern ist Empfehlungsmarketing insbesondere auch im internationalen Geschäft sehr wichtig, betonen die Marketingmanager, aber auch der Blick „out of the box“ bringt Inspiration bei der Suche nach neuen Partnern, zum Beispiel aus dem TV-/Film-Bereich, der Musikszene, dem Social-Media-Bereich oder von Gaming-, Fashion- und Lifestyle-Plattformen. Die größten Veränderungen hat die COVID-19-Pandemie bei den Veranstaltungsformaten gebracht. 

Vor COVID-19 waren in Live-Veranstaltungen durchaus digitale Tools (xR, Streaming über Social Media, digitales Teilnehmermanagement usw.) integriert, aber rein digitale Veranstaltungen waren die Ausnahme.

Während COVID-19 wurden digitale Formate etabliert und diese werden tenden­ziell für Veranstaltungen mit einem hohen Informationsgehalt wie Kongresse, Meetings und ähnliche bleiben bzw. Live-Formate ergänzen und/oder verlängern, wie etwa ganzjährige Messeplattformen.

Nach COVID-19 werden Veranstaltungen sowohl real live als auch digital und hybrid sein, die Grenzen werden verschwimmen und die Formate der Live-Kommunikation wie Events, Messen und Ausstellungen oder Meeting- und Kongressformate werden zusammenwachsen auf einer ganzheitlichen Kommunikationsplattform.

Hybride Veranstaltungen stellen aber nicht nur technisch hohe Anforderungen, sondern erfordern auch innovative Konzeptionen. Die Inszenierungsstränge real live und online müssen eigenständig geplant, aber inhaltlich fest verbunden sein, um die zwei medial unterschiedlich beteiligten Zielgruppen zu erreichen. 

Eine besondere Herausforderung stellt die Immersion der Teilnehmer in eine Erlebniswelt auf digitalem Weg dar. „Wenn digitale Events nur reine Abbilder physischer Events darstellen, wird wahrscheinlich immer das Live-Erlebnis bevorzugt. Dadurch wird auch nichts Innovatives entstehen. Wenn aber die Möglichkeiten der verschiedenen Realitätsebenen virtueller Räume ­erschlossen werden, dann werden wir Events kreieren und erleben, die weit über die Grenzen bisheriger hinausgehen“, ­entwickelt Michael Müller, Head of Brand Activation & Special Projects bei Samsung Electronics, seine Vision. Die Anforderungen an die LiveCom-Branche werden in ­einer immer komplexeren Umwelt auch künftig weiter wachsen. Die Kunden fordern strategisch mitdenkende Partner, die lösungsorientiert arbeiten, Verantwortung für die Ergebnisse statt nur für die Produktion der Veranstaltung übernehmen und innovationsfähig sowie kreativ sind. 

„Viele Kunden sind den Weg durch die Corona-Krise mit den Partnern aus der LiveCom-Branche gemeinsam gegangen, im Fokus standen dabei die Full-Service-Agenturen. Diese haben aus meiner Sicht sehr flexibel reagiert, indem sie gefragte Serviceleistungen dem Portfolio hinzugefügt und ihre Organisation angepasst haben.“

Michael Müller, Head of Brand Activation & -Special Projects bei Samsung Electronics

Die Kunden erwarten „mutige“ Agenturen, die außergewöhnliche neue Ideen haben und diese in kreativen Konzepten umsetzen. Die Agenturen müssen zu medien­strategischen Beratern ihrer Kunden werden. Das heißt, sie müssen den Auftraggeber verstehen hinsichtlich seiner Markenphilosophie, der Positionierung und seiner Zielgruppen und ihre Beratungskompetenz entlang der Customer Journey in die Konzeptentwicklung einbringen ­sowie auf ein funktionsfähiges Partnernetzwerk zurückgreifen können. Flexibilität ist angesichts der fragilen Markt- und ­Umweltbedingungen selbstverständlich. „Agiles Vorgehen ist notwendig und auch ein kurzfristiges ,Umplanen‘ muss beherrscht werden“, fordert Nadine Barte, ­Leiterin der Live Communication bei der Merck KGaA.

Die Kunden wünschen sich künftig, dass die Agenturen und Dienstleister der LiveCom-Branche als Partner auf Augenhöhe agieren und Stammpersonal für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bereithalten.

Zukunft der Live-Kommunikation

Die Studie von R.I.F.E.L. e. V. in -Kooperation mit der TU Chemnitz zeigt tiefergehende Einblicke aus Kundensicht. 

Download der Studie: www.rifel-institut.de/forschung/bereiche

Foto: R.I.F.E.L-Studie

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Quelle: Messe & Event Magazin

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